Gizmondo – ein Rückblick auf ein gescheitertes Innovationsbündel im Test

Gizmondo

Im Jahre 2005 war es soweit. Neben den Platzhirschen Sony und Nintendo mit PSP und DS wagte die bis dato unbekannte Firma Tiger Telematics mit dem Gizmondo den Schlag gegen die übermächtige Konkurrenz. Doch dass das Vorhaben kolossal scheiterte, und das nicht zuletzt wegen kriminellen Machenschaften der Geschäftsführung, ist längst Legende. Wir werfen einen Blick zurück auf Innovationen, Hoffnungen, Comebacks und Gefängnisstrafen ...

Gizmondo-2Fassen wir es kurz zusammen: 2005 erreichte der Handheld-Underdog aus England die britischen Läden. Ein deutscher Release war für den September 2005 angekündigt, erfolgte aber nie. Doch wir erhielten leihweise ein Preview-Modell und lobten damals innovative Features, die heutzutage häufig in Rückbetrachtungen übersehen werden. Nicht zuletzt wegen der deutlich spannenderen Mafia-Story rund um die Begründer, der wir ebenfalls ein eigenes, umfangreiches Special widmeten.

 
Bereits 2005 führte der kleine Brite interessante Features in den Handheldmarkt ein, die heute bei Sony und Nintendo bei 3DS und PS Vita als Innovationen gefeiert werden. Da wäre erstens das im Gizmondo eingebaute GPS, welches via Kartensoftware ermöglicht, den Handheld als Navi-Kit im Auto zu nutzen. Das klappte zwar nur in UK und den USA, wo eine offizielle Gizmondo-Navigator-Software erschienen ist, doch im Rest der Welt behalf man sich mit Navisoftware für Windows-CE-PDAs, auf dem der Gizmondo basierte. Des Weiteren waren via GPS Gamefeatures geplant. Colors bietete einen Gang-Kampf-Modus, in dem die Standorte der einzelnen Spieler via GPS geortet wurden und die Daten so ins Spielgeschehen integriert wurden. Heutzutage findet sich in der PS Vita eine GPS-Funktion, die PSP konnte separat mit einem GPS-Sender nachgerüstet werden.
 
Eine weitere Innovation des Gizmondos war die Verwendung einer SIM-Karte im Gerät. So konnte man mit dem Gizmondo schon 2005 SMS und MMS verschicken und im Gizmondo-Store beispielsweise Wallpaper downloaden. Die PS Vita mit 3G bedient sich ebenfalls der Funktion des permanenten »Vernetzt-Seins«, nur natürlich mit aktueller UMTS-Technik.
 
Der Gizmondo bot zudem umfangreiche Multimedia-Features wie eine Wiedergabe von verschiedenen Video- und Audioformaten. Hier gab es keine Vorreiterrolle – die PSP bot diese Möglichkeiten ebenfalls, jedoch war man auf dem neuesten Stand der Multimedia-Funktionen.
 
Das am stiefmütterlichsten beachtete Feature des Gizmondos war aber unumstritten die Augmented-Reality-Funktion. Durch die im Gerät eingebaute Kamera waren bereits 2005 Augmented-Reality-Spiele möglich, die Nintendo und Sony in 3DS und PS Vita als neuesten Schrei verkaufen. Die Titel/Demos Agaju und Catapult boten Exploring und Burgenschlachten auf dem Schreibtisch, wie auch dieses Demovideo zeigt.
 

 
Logisch, diese Funktionen gingen in der neunmonatigen Lebenszeit des Gizmondos unter, weil schlicht auch andere Geschehnisse das Gerät überschatteten, aber rückblickend muss man Tiger Telematics wohl für die Weitsicht und den Mut zur Innovation gratulieren. Ein Key-Feature des Gizmondos wurde bis heute noch nicht umgesetzt, sei es aus mangelnder Markttauglichkeit oder Ignoranz der Plattformbetreiber: Smart Ads.
 
Smart Ads war eine werbefinanzierte Version des Gizmondos. Wer einen günstigen Smart-Ads-Gizmondo erstand, sollte personalisierte Werbung auf sein Handheld bekommen, ganz so, wie heute Google Adwords oder Facebook-Ads funktionieren. Man stelle sich vor, heutzutage bekäme man ein Top-Handy mit UMTS-Flatrate für einen Spottpreis und müsste dabei lediglich dreimal Werbung am Tag ertragen. Ich wäre mir sicher, dass dieses Modell im preisbewussten Consumer-Segment angenommen würde. Das Konzept von Smart-ads wird im Werbevideo noch einmal etwas deutlicher:
 

 
Auch Carl Freer, Vater des Gizmondos und Gründer von Tiger Telematics, war offenbar von seiner Vision fest überzeugt. So startete man 2009 einen Comeback-Versuch, der leider an mangelndem Investoreninteresse scheiterte. Wir interviewten Carl Freer 2009 exklusiv zum geplanten Relaunch und was man genau plante – und siehe da, auch dort war man kreativ: Man wollte Download-only die Spiele vertreiben. Ein Geschäftsmodell, auf das aktuelle Hardware-Hersteller hinarbeiten. Zudem plante man Android als Betriebssystem – ein OS, welches aus der Smartphonewelt nicht mehr wegzudenken wäre.
 

Interview-Carl-Freer-CEO-Gizmondo

Schließen wir den Rückblick auch mit ein paar kritischen Worten, denn der Gizmondo war ein kolossaler Flop, der nicht von der Hand zu weisen ist. Das waren einige Fehler im Design, wie ein fehlender Touchscreen, kurze Akkulaufzeit und eine geringe Auflösung von 320x240. Doch der Löwenanteil der Fehler wurde im Management begangen. Bekannterweise diente der Gizmondo primär dazu, von Investoren Geld zu erhalten, welches die Betreiber des Unternehmens überwiegend in die eigene Tasche wirtschafteten. Auch die Lizenzierung teurer EA-Key Titel war ein Fehler, den Freer selber im Interview zugab. Man verpasste es, den Gizmondo zu einem günstigen und offenen System zu machen, um unabhängigen Entwicklern einen Tummelplatz zu bieten. Durch die innovativen Hardware-Features hätte eine Menge interessante Software geschaffen werden können.
 
Heute hat der Gizmondo seinen Platz in der Historie der gescheiterten Handhelds. Die 2006 florierende Homebrew-Community hat das innovative Handheld in den letzten zwei Jahren mangels Interesse wieder fallen lassen, sodass das Gerät heute eher nur noch einen Demozweck erfüllt. Eine Demo, wie man gegebenes Potential ungenutzt lässt. Eine Demo, wie Geschäftsentscheidungen auch die innovativste Hardware binnen weniger Monate vernichten können.
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Forum
  • von ONOX2:

    Naj, das ganze Video ist viel zu oberflächlich . Für mich schon der WItz das die den Laseractiv als Konsole bezeichnen.

  • von Rallyefreak:

    Immerhin taucht er hier mal wieder auf: Schau dir "Trend-FAILS der Videospielgeschichte - NERDSCHULE" auf YouTube an - Trend-FAILS der Videospielgeschichte - NERDSCHULE: youtu.be/l7Nm3ACnKhY Ich finde nur etwas am Thema vorbei....

  • von ONOX2:

    Naja die ersten richtigen Sachen kommen ja. Dier AR Game bieten einen netten Vorgeschmack und mit Spirit Camer komt das erste richtige AR Game zu uns....

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